C. Plinius grüßt seinen Maximus
C. PLINIUS MAXIMO SUO S.
Amor in te meus cogit, non ut praecipiam — neque enim praeceptore eges -, admoneam tamen, ut quae scis teneas et observes, aut nescire melius. Cogita te missum in provinciam Achaiam, illam veram et meram Graeciam, in qua primum humanitas litterae, etiam fruges inventae esse creduntur; missum ad ordinandum statum liberarum civitatum, id est ad homines maxime homines, ad liberos maxime liberos, qui ius a natura datum virtute meritis amicitia, foedere denique et religione tenuerunt. Reverere conditores deos et nomina deorum, reverere gloriam veterem et hanc ipsam senectutem, quae in homine venerabilis, in urbibus sacra. Sit apud te honor antiquitati, sit ingentibus factis, sit fabulis quoque. Nihil ex cuiusquam dignitate, nihil ex libertate, nihil etiam ex iactatione decerpseris. Habe ante oculos hanc esse terram, quae nobis miserit iura, quae leges non victis sed petentibus dederit, Athenas esse quas adeas Lacedaemonem esse quam regas; quibus reliquam umbram et residuum libertatis nomen eripere durum ferum barbarum est. Vides a medicis, quamquam in adversa valetudine nihil servi ac liberi differant, mollius tamen liberos clementiusque tractari. Recordare quid quaeque civitas fuerit, non ut despicias quod esse desierit; absit superbia asperitas. Nec timueris contemptum. An contemnitur qui imperium qui fasces habet, nisi humilis et sordidus, et qui se primus ipse contemnit? Male vim suam potestas aliorum contumeliis experitur, male terrore veneratio acquiritur, longeque valentior amor ad obtinendum quod velis quam timor. Nam timor abit si recedas, manet amor, ac sicut ille in odium hic in reverentiam vertitur. Te vero etiam atque etiam — repetam enim — meminisse oportet officii tui titulum ac tibi ipsum interpretari, quale quantumque sit ordinare statum liberarum civitatum. Nam quid ordinatione civilius, quid libertate pretiosius? Porro quam turpe, si ordinatio eversione, libertas servitute mutetur! Accedit quod tibi certamen est tecum: onerat te quaesturae tuae fama, quam ex Bithynia optimam revexisti; onerat testimonium principis; onerat tribunatus, praetura atque haec ipsa legatio quasi praemium data. Quo magis nitendum est ne in longinqua provincia quam suburbana, ne inter servientes quam liberos, ne sorte quam iudicio missus, ne rudis et incognitus quam exploratus probatusque humanior melior peritior fuisse videaris, cum sit alioqui, ut saepe audisti saepe legisti, multo deformius amittere quam non assequi laudem.
Haec velim credas, quod initio dixi, scripsisse me admonentem, non praecipientem; quamquam praecipientem quoque. Quippe non vereor, in amore ne modum excesserim. Neque enim periculum est ne sit nimium quod esse maximum debet. Vale.
Deutsche Übersetzung: (Buch 8, Brief 24)
Meine Liebe zu Dir treibt mich, nicht etwa Dir Lehren zu erteilen – eines Lehrers bedarfst Du ja nicht -, Dich aber doch zu ermahnen, daß Du behältst und befolgst, was Du weißt; andernfalls wäre es besser, Du wüßtest es nicht. Bedenke, Du wirst in die Provinz Achaia gesandt, das wahre, unverfälschte Griechenland, wo wie es heißt, zuerst Bildung und Wissenschaft und selbst der Ackerbau erfunden worden ist, wirst entsandt, um Ordnung in die Verfassung freier Städte zu bringen, das heißt: zu Menschen, zu Freien, die im besten Sinne Freie sind, die dies von der Natur verliehene Recht auf Freiheit durch Tüchtigkeit, Verdienste, Freundschaft, schließlich auch durch getreuliche Erfüllung von Verträgen behauptet haben. Hab‘ Ehrfurcht vor ihren göttlichen Stadtgründern, den Namen ihrer Gottheiten! Hab‘ Ehrfurcht vor ihrem alten Ruhm und überhaupt vor ihrem Alter, das bei Menschen ehrwürdig, bei Städten heilig ist! Erweise ihrer Vergangenheit Ehre, ihren Großtaten, auch ihren Mythen! Kränke niemanden in seiner Würde, seiner Freiheit, ja, auch nicht in seiner Eitelkeit. Halte Dir vor Augen, daß es das Land ist, das uns nicht etwa nach einem Siege über uns Rechtssatzungen und Gesetze aufgezwungen, sondern auf unsee Bitte hin geliefert hat, daß es Athen ist, wohin Du gehst, Lacedämon, das Du verwaltest; ihnen den letzten Schatten einstiger Größe, den Rest der Freiheit zu rauben, wäre hart, grausam und barbarisch. Nimm Dir ein Beispiel an den Ärzten: zwar besteht für sie zwischen Sklaven und Freien, wenn sie krank sind, kein Unterschied, aber einen Freien behandeln sie doch sanfter und milder. Denke daran, was jede Stadt einmal gewesen ist, nicht, um auf sie herabzusehen, weil sie nichts mehr bedeutet; Hochmut und Schroffheit sei Dir fern. Du brauchst nicht zu befürchten, daß man Dir dann die Achtung versagt; verächtlich ist ein Träger des Imperiums, ein Inhaber der Fasces doch nur, wenn er ein niedriger, schmutziger Charakter ist und sich selbst zuerst verachtet. Gemein ist es, wenn Amtsgewalt ihre Kraft an Kränkungen andrer versucht, gemein, wenn man sich durch Terror Respekt verschafft; weit wirksamer als Furcht ist Liebe, um seinen Willen durchzusetzen. Denn die Furcht verschwindet, wenn man den Rücken kehrt, die Liebe bleibt, und wie Furcht zu Haß wird, so Liebezu Verehrung. Du aber – ich sage es noch einmal mußt immer und immer an die Aufgabe Deines Amtes denken und Dir selbst klarmachen, was und wieviel es bedeutet, Ordnung in die Verfassung freier Städte zu bringen. Denn was ist für den Bürger wertvoller als geordnete Verhältnisse, was kostbarer als die Freiheit? Wie schändlich also, wenn Ordnung sich in Verheerung, Freiheit sich in Knechtschaft verkehrt! Ferner steht Dir ein Wettkampf mit Dir selbst bevor: auf Dir lastet der gute Ruf Deiner Quästur, den Du aus Bithynien heimgebracht hast, lastet das Zeugnis des Prinzeps, lastet Dein Tribunat, die Prätur und eben jetzt dieser Auftrag, der Dir gleichsam als Belohnung zugekommen ist. Um so mehr mußt Du darauf sehen, daß es hernach nicht heißt, Deine Menschlichkeit, Güte und Erfahrung sei in der entfernten Provinz mehr in Erscheinung getreten als im Weichbild der Stadt, unter Sklaven mehr als unter Freien, mehr, als Dir Dein Amt durchs Los übertragen wurde, denn jetzt, wo es durch wohlbedachte Wahl des Prinzeps geschehen ist, mehr, als Du noch unerfahren und unbekannt warest, denn jetzt, wo man Dich kennt und Du Dich bewährt hast; ist es doch in jedem Falle, wie Du oft gehört und gelesen hast, weit entehrender, Ansehen wieder zu verlieren als überhaupt nicht zu gewinnen. Ich hoffe, Du glaubst mir, was ich zu Anfang gesagt habe: meine Worte sollen Dich ermahnen, nicht belehren, wiewohl auch dies. Ich brauche ja nicht zu befürchten, in meiner Liebe zu weit gegangen zu sein. Unmöglich kann ja zu groß werden, was so groß wie möglich sein soll!