Ipse locum casus vati facit: Urbis origo
venit; ades factis, magne Quirine, tuis.
iam luerat poenas frater Numitoris, et omne
pastorum gemino sub duce volgus erat; 810
contrahere agrestes et moenia ponere utrique
convenit: ambigitur moenia ponat uter.
’nil opus est‘ dixit ‚certamine‘ Romulus ‚ullo;
magna fides avium est: experiamur aves.‘
res placet: alter init nemorosi saxa Palati; 815
alter Aventinum mane cacumen init.
sex Remus, hic volucres bis sex videt ordine; pacto
statur, et arbitrium Romulus urbis habet.
apta dies legitur qua moenia signet aratro:
sacra Palis suberant; inde movetur opus. 820
fossa fit ad solidum, fruges iaciuntur in ima
et de vicino terra petita solo;
fossa repletur humo, plenaeque imponitur ara,
et novus accenso fungitur igne focus.
inde premens stivam designat moenia sulco; 825
alba iugum niveo cum bove vacca tulit.
vox fuit haec regis: ‚condenti, Iuppiter, urbem,
et genitor Mavors Vestaque mater, ades,
quosque pium est adhibere deos, advertite cuncti:
auspicibus vobis hoc mihi surgat opus. 830
longa sit huic aetas dominaeque potentia terrae,
sitque sub hac oriens occiduusque dies.‘
ille precabatur, tonitru dedit omina laevo
Iuppiter, et laevo fulmina missa polo.
augurio laeti iaciunt fundamina cives, 835
et novus exiguo tempore murus erat.
hoc Celer urget opus, quem Romulus ipse vocarat,
’sint‘ que, ‚Celer, curae‘ dixerat ‚ista tuae,
neve quis aut muros aut factam vomere fossam
transeat; audentem talia dede neci.‘ 840
quod Remus ignorans humiles contemnere muros
coepit, et ‚his populus‘ dicere ‚tutus erit?‘
nec mora, transiluit: rutro Celer occupat ausum;
ille premit duram sanguinulentus humum.
haec ubi rex didicit, lacrimas introrsus obortas 845
devorat et clausum pectore volnus habet.
flere palam non volt exemplaque fortia servat,
’sic‘ que ‚meos muros transeat hostis‘ ait.
dat tamen exsequias; nec iam suspendere fletum
sustinet, et pietas dissimulata patet; 850
osculaque adplicuit posito suprema feretro,
atque ait ‚invito frater adempte, vale‘,
arsurosque artus unxit: fecere, quod ille,
Faustulus et maestas Acca soluta comas.
tum iuvenem nondum facti flevere Quirites; 855
ultima plorato subdita flamma rogo est.
urbs oritur (quis tunc hoc ulli credere posset?)
victorem terris impositura pedem.
cuncta regas et sis magno sub Caesare semper,
saepe etiam plures nominis huius habe; 860
et, quotiens steteris domito sublimis in orbe,
omnia sint umeris inferiora tuis.
Deutsche Übersetzung: (Buch 4, Vers 807-862)
Die Gründung Roms – zum 21. April
Gerade der Anlass gibt dem Dichter Gelegenheit (zur Darstellung): Der Ursprung der Stadt ist gekommen. Hilf mir, großer Quirinus, bei deinen Taten (gemeint ist: bei der Schilderung deiner Taten)! Schon hatte seine Strafe gebüßt der Bruder des Numitor, und das ganze Volk der Hirten war unter der Führung der Zwillinge. (811) Die Landbevölkerung zu sammeln und Mauern zu bauen, (darin) kommen beide überein. Man ist uneins, wer die Mauern bauen soll. „Wir brauchen überhaupt keinen Streit“, sagte Romulus, „große Zuverlässigkeit gibt es bei den Vögeln: Lasst uns die Vögel erkunden!“ (815) Der Vorschlag gefällt: Der eine steigt auf Felsen des bewaldeten Palatiums, der andere steigt in der Frühe auf den Gipfel des Aventin. Remus sieht sechs, dieser zweimal sechs Vögel in einer Reihe; man bleibt bei der Abmachung, und Romulus hat die (Entscheidungs-)Gewalt über die Stadt. Ein geeigneter Tag wird ausgewählt, an dem er die Mauern mit dem Pflug bezeichnen solle; (820) das Fest der Pales war nahe: Zu diesem Zeitpunkt (wörtl.: von da an) wird das Werk begonnen. Es entsteht eine Grube bis zum festen Boden, Feldfrüchte werden hinuntergeworfen (wörtl.: in den tiefsten Grund) und Erde, die vom Nachbarboden geholt wurde. Die Grube wird mit Erde aufgefüllt, (und) ein Altar wird auf die volle gesetzt, und der neue Herd unterhält das entfachte Feuer. (825) Dann drückt er auf den Pflugsterz und bezeichnet mit einer Furche die Mauer, eine weiße Kuh trug zusammen mit einem schneeweißen Stier das Joch. Das war das Gebet des Königs: „Jupiter, Vater Mavors und Mutter Vesta, steht (mir), der ich die Stadt gründe, bei! Und alle ihr Götter, die anzurufen es sich ziemt, achtet (auf mich)! (830) Seid ihr meine Beschützer, soll dieses Werk sich mir erheben! Eine lange Zeit und Macht sei ihr (beschieden), der Herrin der Welt, und unter ihr stehe der Osten und der Westen (wörtl.: der aufgehende und untergehende Tag).“ Jener war (noch) beim Gebet, da gab (ihm) Jupiter günstige Vorzeichen durch einen Donner von links und Blitze, die auf der linken Seite vom Himmel gesandt wurden. (835) Froh über das Vorzeichen, legen die Bürger die Grundsteine, und in kürzester Zeit stand die neue Mauer. Mit Eifer betreibt Celer dieses Werk, den Romulus selbst gerufen und (ihm) gesagt hatte: „Darum sollst du dich kümmern, näm1ich dass niemand die Mauern oder den vom Pflug geschaffenen Graben überspringe! Wagt einer solches (wörtl.: den solches Wagenden), dann gib ihn dem Tod preis!“ (841) Remus wusste das aber nicht und begann die niedrigen Mauern zu missachten und zu sagen: „Durch diese wird das Volk sicher sein?“ Und ohne Verzug sprang er hinüber. Mit einer Schaufel erschlägt Celer den, der (es) gewagt hatte, jener liegt blutüberströmt auf dem harten Boden. (845) Sobald der König das erfahren hat, unterdrückt er in seinem Inneren die hervorbrechenden Tränen und hält seinen Seelenschmerz in der Brust verborgen. Er will nicht offen weinen und wahrt ein Beispiel tapferer Haltung und sagt: „So möge ein Feind über meine Mauern springen!“ Dennoch veranstaltet er eine Leichenfeier und kann nicht länger die Tränen zurückhalten, und es zeigt sich die verborgene Bruderliebe. (851) Und er drückte letzte Küsse auf die aufgestellte Bahre und sagte: „Bruder, (der du mir) gegen meinen Willen geraubt (wurdest), leb’ wohl!“ Er salbte den Leib, der zur Verbrennung bestimmt war; wie jener (wörtl.: was jener tat) handelten Faustulus und Acca, die die Haare in der Trauer offen trug (wörtl.: gelöst in bezeug auf die traurigen Haare). (855) Dann beweinten den jungen Mann die, die noch nicht Quiriten geworden waren; zuletzt wurde nach der Totenklage die Flamme unten an den Scheiterhaufen gelegt. Die Stadt entsteht wer hätte das damals einem glauben können? – geschaffen, den siegreichen Fuß auf die Länder zu setzen. Alles mögest du beherrschen und immer unter dem Schutz des großen Caesar sein, habe oft auch mehr (Träger) dieses Namens, und sooft du erhobenen Hauptes dastehst auf dem bezwungenen Erdkreis, möge alles niedriger sein als deine Schultern!