Sed si aliquem amicum existimas cui non tantundem credis quantum tibi, vehementer erras et non satis nosti vim verae amicitiae. |
Aber wenn du jemanden als Freund bezeichnest, dem du nicht ebensoviel glaubst wie dir, irrst du dich gewaltig und kennst die Kraft wahrer Freundschaft nicht genug. |
Tu vero omnia cum amico delibera, sed de ipso prius: Post amicitiam credendum est, ante amicitiam iudicandum. |
Du aber überlege alles zusammen mit einem Freund, aber über ihn selbst vorher: Nach der Freundschaftsschluss muss man vertrauen, davor urteilen. |
Isti vero praepostero officia permiscent qui, contra praecepta Theophrasti, cum amaverunt iudicant, et non amant cum iudicaverunt. |
Diese aber vermischen in verkehrter Reihenfolge ihre Pflichten, die gegen die Vorschriften des Theophrast urteilen, wenn sie lieben, und nicht lieben, wenn sie geurteilt haben. |
Diu cogita an tibi in amicitiam aliquis recipiendus sit. |
Überlege lange, ob du jemanden in deine Freundschaft aufnehmen willst. |
Cum placuerit fieri, toto illum pectore admitte; tam audaciter cum illo loquere quam tecum. |
Wenn du beschlossen hast, dass es geschehen soll, lasse ihn ganz in dein Herz ein: sprich mit ihm so wagemütig wie mit dir. |
Tu quidem ita vive ut nihil tibi committas nisi quod committere etiam inimico tuo possis; sed quia interveniunt quaedam quae consuetudo fecit arcana, cum amico omnes curas, omnes cogitationes tuas misce. |
Lebe du freilich so, dass du dir nichts anvertraust, außer wenn du es auch deinem Feind anvertrauen könntest: weil aber einiges dazwischenkommt, was die Gewohnheit geheim gemacht hat, mit deinem Freund teile alle Sorgen, alle deine Überlegungen. |
Fidelem si putaveris, facies; nam quidam fallere docuerunt dum timent falli, et illi ius peccandi suspicando fecerunt. |
Wenn du ihn für treu hälst, wirst du ihn dazu machen; Denn einige haben gelehrt, zu täuschen, solange man fürchtet, getäuscht zu werden, und jene machen. |
Quid est quare ego ulla verba coram amico meo retraham? |
Was ist es, weshalb ich irgendwelche Worte meinem Freund gegenüber zurückhalten sollte? |
Quid est quare me coram illo non putem solum? |
Was ist es, weshalb ich ihm gegenüber nicht glauben sollte, allein zu sein? |
Quidam quae tantum amicis committenda sunt obviis narrant, et in quaslibet aures quidquid illos urit exonerant; quidam rursus etiam carissimorum conscientiam reformidant et, si possent, ne sibi quidem credituri interius premunt omne secretum. |
Einige erzählen, was nur seinen Freunden anvertraut werden darf, Vorbeigehenden und laden ub beliebige Ohren, was auch immer sie bedrängt, ab: einige wieder fürchten sich auch vor dem Mitwissen seiner Liebsten und, wenn sie können,drücken jedes Geheimnis ins Innere, weil sie nicht einmal im Begriff sind, sich selbst zu vertrauen. |
Neutrum faciendum est; utrumque enim vitium est, et omnibus credere et nulli, sed alterum honestius dixerim vitium, alterum tutius. |
Beides darf nicht gemacht werden: jedes von beiden ist nämlich ein Fehler, sowohl allen zu glauben als auch keinem, aber das eine mag ich wohl einen ehrlicheren, das andere einen sichereren Fehler nennen. |
Sic utrosque reprehendas, et eos qui semper inquieti sunt, et eos qui semper quiescunt. |
So sollst du jeden von beiden tadeln, sowohl die, die immer unruhig sind, als auch die, die immer ruhen. |
Nam illa tumultu gaudens non est industria sed exagitatae mentis concursatio, et haec non est quies quae motum omnem molestiam iudicat, sed dissolutio et languor. |
Denn das, was sich an Unruhe erfreut, ist kein Fleiß, sondern ein wirres Umherlaufen einer erregten Seele, und nicht das ist nicht Ruhe, das jede Bewegung für eine Belästigung hält, sondern Energielosigkeit und Schlaffheit. |
Itaque hoc quod apud Pomponium legi animo mandabitur: ‚Quidam adeo in latebras refugerunt ut putent in turbido esse quidquid in luce est‘. |
Deshalb wir das, was ich bei Pomponius gelesen habe, meinem Herzen anvertraut werden: „Einige haben sich so sehr in Verstecke geflüchtet, dass sie glauben, dass im Trüben sei, was auch immer im Licht ist.“ |
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